Was ist Trennungsangst und wie kann man sie überwinden?

7 Min.
13. Jun'25

Der Abschied von Kindern, der eher an ein tränenreiches Drama erinnert, ist im frühen Kindesalter durchaus üblich. Es gibt Kinder, die nach dem Schließen der Tür trotz Tränen ihre Eltern sofort vergessen und sich gleich ins Spiel mit der Betreuungsperson vertiefen. Doch was ist mit jenen Kindern, die nicht nur weinen, sondern auch Trennungsangst empfinden und sehr aufgewühlt sind, wenn sich ihre Eltern bemühen, sie bei jemand anderem zu lassen? In solchen Fällen sprechen wir von Trennungsangst.

Trennungsangst ist keineswegs ein neues Phänomen, auch wenn viele Eltern bei diesem Begriff vielleicht genau diesen Eindruck bekommen. Sie ist ein völlig normaler Bestandteil der kindlichen Entwicklung, kann aber dennoch beunruhigend sein. Das Wichtigste ist, zu verstehen, was Ihr Kind gerade durchmacht, und zu versuchen, die Situation bereits im Keim zu lösen, bevor sie zu einem ernsteren Problem wird.

Was ist Trennungsangst?

Babys passen sich im Allgemeinen sehr gut an andere Betreuungspersonen an – es sind meistens die Eltern, die zuerst Trennungsangst verspüren. Wenn alle Grundbedürfnisse des Kindes erfüllt sind, bewältigen Säuglinge bis zu einem Alter von 6 Monaten die Trennung von ihren Eltern in der Regel problemlos. Zwischen dem vierten und siebten Lebensmonat entwickelt sich jedoch bei Kindern das sogenannte Objektpermanenz-Verständnis.

Sie beginnen zu begreifen, dass Dinge und Menschen auch dann existieren, wenn sie nicht mehr sichtbar sind. Babys erkennen, dass Mama, Papa oder das Geschwisterkind nicht verschwinden, nur weil sie sie nicht sehen. Dennoch verstehen sie noch nicht das Konzept von Zeit und wissen nicht, dass Mama gleich wiederkommt. Schon eine kurze Abwesenheit kann daher bei einem Baby Angst auslösen und zu Weinen führen – das meist erst dann aufhört, wenn Mama wieder in Sichtweite ist.

Kinder im Alter von etwa 8 Monaten bis zu einem Jahr sind zwar oft selbstständiger, können jedoch gleichzeitig unsicherer in Bezug auf Trennungen von ihren Bezugspersonen reagieren. In diesem Alter entwickelt sich besonders häufig die Trennungsangst, die sich durch sichtbare Unruhe beim Verlassen der Eltern zeigt. Kinder weinen intensiv, ignorieren andere Personen und klammern sich stark an ihre Eltern.

Erste Anzeichen von Trennungsangst können sich auch später – etwa zwischen 18 Monaten und zweieinhalb Jahren – zeigen, manche Kinder erleben diesen Zustand aber nie. In der Regel tritt Trennungsangst nach belastenden oder einschneidenden Ereignissen auf – wie dem ersten Tag in der Krippe, der Geburt eines Geschwisterkindes, einem Umzug oder Spannungen im familiären Umfeld.L'angoisse de séparation                                                                                              Fotoquelle: Freepik

Die Dauer ist unterschiedlich

Die Dauer der Trennungsangst lässt sich nicht genau bestimmen – sie hängt von mehreren Faktoren ab, insbesondere vom Temperament des Kindes und der Reaktion der Eltern. In Extremfällen kann sie vom Kleinkindalter bis in die ersten Grundschuljahre andauern. In solchen Fällen kann die Trennungsangst ein Symptom einer tieferliegenden Angststörung sein, die mit einem Kinderpsychologen besprochen werden sollte. Tritt die Trennungsangst im Schulalter plötzlich auf, kann sie auch auf Mobbing oder Missbrauch hindeuten.

Trennungsangst unterscheidet sich von den üblichen Gefühlen, die Kinder verspüren, wenn sie nicht möchten, dass ihre Eltern gehen. Solche normalen Gefühle lassen sich meist durch Ablenkung oder andere Reize überwinden, die die Aufmerksamkeit des Kindes auf sich ziehen. Besonders wichtig ist es, auf die eigene Reaktion zu achten – Kinder beobachten ihre Eltern sehr genau und lernen schnell, wie sie diese beeinflussen können. Wenn Sie beispielsweise immer wieder wegen des Weinens zu Hause bleiben, kann Ihr Kind dies als Strategie einsetzen, um Trennungen zu vermeiden.

Emotionaler Druck für Kinder und Eltern

Trennungsangst ist eine Belastung – nicht nur für Kinder, sondern auch für Eltern, die dabei eine Vielzahl an Emotionen erleben können. Einerseits kann es schön sein zu spüren, dass das eigene Kind eine enge Bindung zu einem aufgebaut hat. Wahrscheinlicher ist jedoch das Auftreten von Schuldgefühlen – etwa weil man sich nach etwas Zeit für sich sehnt oder weil man Arbeit der Kinderbetreuung vorzieht. Ebenso häufig tritt ein Gefühl der Überforderung auf – vor allem, wenn einem bewusst wird, wie sehr das Kind einen braucht und wie viel Aufmerksamkeit es einfordert.

Die Zeit der Trennung ist für Eltern besonders herausfordernd, weil das Kind bisher vollständig von ihrer Anwesenheit und Fürsorge abhängig war. Wenn Sie sich entschieden haben, für ein paar Stunden das Haus zu verlassen – sei es wegen der Arbeit oder für etwas Erholung –, sollten Sie Ihre Entscheidung nicht ändern, es sei denn, es ist unbedingt notwendig. Vermeiden Sie es auch, ständig die Großeltern, die Betreuungsperson oder die Erzieherinnen in der Kita zu kontaktieren.

Ebenso wie Ihr Kind müssen auch Sie lernen, mit der Abwesenheit umzugehen. So verlockend es auch ist, zum Telefon zu greifen – lassen Sie es lieber. Kinder gewöhnen sich schnell daran, dass sie ihre Eltern jederzeit erreichen können, was sich langfristig negativ auswirken kann.

Dass ein Kind sich nur schwer von seinen Eltern trennen kann, ist im Grunde ein gutes Zeichen: Es deutet auf eine gesunde Bindung zwischen Eltern und Kind hin. Es ist sehr wichtig, dass Kinder verstehen, dass Sie zwar gehen, aber auch immer wieder zurückkehren. So kann Ihr Kind auch dann ruhig bleiben, wenn Sie einmal nicht da sind – und gleichzeitig wichtige Fähigkeiten zur Selbstregulation und zur Entwicklung von Unabhängigkeit entwickeln.

Angoisse separation enfant

Erleichtern Sie sich und Ihrem Kind die Trennung

Sich für ein paar Stunden vom eigenen Kind zu verabschieden, ist weder beim ersten noch beim dritten Mal einfach. Diese Tipps können sowohl Kindern als auch Eltern helfen, diese schwierige Phase besser zu überstehen:

  • Wählen Sie den richtigen Zeitpunkt. Die Planung des Abschieds ist besonders wichtig. Lassen Sie Ihr Kind möglichst nicht im sensiblen Alter von 8 bis 12 Monaten in die Kita oder bei einer fremden Betreuungsperson. Wenn möglich, bitten Sie zunächst nahestehende Verwandte oder eine gute Freundin um Hilfe. Verlassen Sie Ihr Kind nicht, wenn es hungrig, müde oder unruhig ist. Der beste Zeitpunkt zum Gehen ist nach dem Essen und dem Schlafen. Versuchen Sie nicht, sich heimlich davonzuschleichen – das kann die Trennungsangst nur verstärken. Kinder fühlen sich nach so einem "Verschwinden" oft betrogen, verwirrt und verängstigt, was die Beziehung zu den Eltern langfristig belasten kann.
  • Üben Sie das Getrenntsein. Bereiten Sie Ihr Kind im Voraus auf das Alleinsein vor, indem Sie es an neue Menschen und Umgebungen gewöhnen. Planen Sie eine Betreuung durch Verwandte oder Babysitter? Dann besuchen Sie diese vorher oder laden Sie sie zu sich nach Hause ein, damit Ihr Kind sie in einer vertrauten Umgebung kennenlernen kann. Wenn Ihr Kind in eine Kita oder Krippe kommt, vereinbaren Sie vorab einige gemeinsame Besuche. Üben Sie die Trennung schrittweise und ermöglichen Sie Ihrem Kind, sich langsam an das Getrenntsein zu gewöhnen. Lassen Sie es ein Lieblingsspielzeug, ein Kissen oder eine Decke mitnehmen – vertraute Gegenstände geben Sicherheit in neuer Umgebung.
  • Bleiben Sie ruhig und konsequent. Entwickeln Sie ein liebevolles Abschiedsritual, das Ihrem Kind ein Gefühl von Sicherheit gibt. Bleiben Sie ruhig, zeigen Sie Ihrem Kind Ihre Liebe und geben Sie ihm Vertrauen. Versichern Sie ihm, dass Sie zurückkommen – und sagen Sie ihm auch wann (z. B. nach dem Mittagessen, nach der Lieblingssendung usw.), auf eine Art, die es versteht. Halten Sie Ihr Versprechen unbedingt ein. Das stärkt das Vertrauen Ihres Kindes und erleichtert künftige Trennungen.

Es ist nur vorübergehend

Die Trennungsangst bei Kindern löst häufig negative Emotionen und Sorgen bei Eltern aus. Denken Sie daran, dass es sich um eine vorübergehende Phase handelt. Es ist ganz natürlich, dass ein Kind beim Abschied Stress empfindet – besonders dann, wenn es bisher fast seine gesamte Zeit mit den Eltern verbracht hat. Vertrauen Sie auf Ihr Bauchgefühl und handeln Sie nach dem, was Sie für richtig halten. Haben Sie das Gefühl, dass jetzt der richtige Zeitpunkt ist, Ihr Kind für eine Weile bei jemand anderem zu lassen – auch wenn es Anzeichen von Trennungsangst zeigt? Bleiben Sie standhaft, erklären Sie Ihrem Kind ruhig, dass Sie wiederkommen – und wann –, und verabschieden Sie sich gelassen.

Achten Sie jedoch auch auf Anzeichen dafür, dass Ihr Kind trotz Ihrer Bemühungen mit der Trennung nicht gut zurechtkommt. Dazu gehören Schlafprobleme, Anspannung, Appetitlosigkeit, Einnässen oder Wutausbrüche. Besonders schüchterne, stille, wenig soziale Kinder oder solche, die in einem stressbelasteten Umfeld aufwachsen, neigen dazu, Trennungsangst stärker zu erleben.

Trennungsangst kann sich zu einer Trennungsangststörung entwickeln – insbesondere dann, wenn auch im Vorschul- oder Grundschulalter noch starke Ängste vor dem Alleinsein bestehen. Etwa 4 % der Kinder in diesem Alter sind betroffen. Diese Kinder haben oft große Angst, dass ihnen oder ihren Eltern nach einer Trennung etwas Schlimmes zustoßen könnte oder dass sie sich verlieren.

Mit einer Trennungsangststörung gehen häufig Panikattacken, Übelkeit, Erbrechen, Atemnot, Albträume, Angst vor dem Alleinschlafen oder übermäßige Sorgen vor Entführungen einher. Wenn Sie den Eindruck haben, dass die Anzeichen der Trennungsangst bei Ihrem Kind über das normale Maß hinausgehen, zögern Sie nicht, professionelle Hilfe bei einem Kinderarzt oder Kinderpsychologen in Anspruch zu nehmen.

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